Eine Begegnung mit dem Islam

Eine Gruppe von Baumgartnern unter der Leitung von Pfarrer Abrahamowicz und in Begleitung von Dr. Marte, dem Präsidenten von Pro Oriente, machte sich am 2. April auf den Weg ins Islamische Zentrum Wien an der Neuen Donau. In der dortigen Bibliothek wurden sie von Imam Ramazan Demir, dem Generalsekretär der islamischen Seelsorge und Vize-Imam Mujkanovic Salim herzlich begrüßt und zu einem Gespräch und einer Besichtigung des Zentrums eingeladen.

Im Zuge einer Einführung in die Baugeschichte der Moschee wurde auch der Jahrhunderte lange österreichisch–islamische Kulturaustausch, der bis heute im „Muslimischen Sozialdienst“ in Wien seine Fortsetzung findet, erwähnt und die islamische Religion als Religion der Friedens und der Liebe dargestellt. Muslime haben Abraham, verehren Jesus als Propheten und anerkennen Maria als die jungfräuliche Mutter Jesus und verehren sie als Vorbild. Der Islam ist von seiner Wurzel her gegenüber dem Christentum nicht feindlich eingestellt. Das zeigt sich auch an vielen Beispielen der Geschichte:

  • Trotz Türkenbelagerung blieben die Kirchen Wiens unzerstört.
  • Die Eroberungskriege im Westen Europas blieben für die Gotteshäuser ohne Folgen.
  • In Ägypten lebten Muslime und Christen Jahrhunderte lang friedlich nebeneinander, bis in die Gegenwart sind die christlichen Kirchen unversehrt geblieben. Erst jetzt zu Zeiten der politischen Unruhen kommt es zu den furchtbaren Übergriffen.

 

Nur wenn Religion für politische Zwecke missbraucht wird, kommt es zu Krieg und Gräueltaten. 

Grundsätzlich sind Glaubenskriege erlaubt, jedoch nur zur Verteidigung des Glaubens und zur Abwehr von Übergriffen auf gläubige Muslime – nicht als Eroberungskriege oder zur Verfolgung wirtschaftlicher oder anderer politischen Ziele! 

Dazu kommt, dass ein Großteil der muslimen Weltbevölkerung Analphabeten sind und daher ihr religiöses Wissen nicht direkt aus dem Koran beziehen, sondern auf die Mitteilung Dritter angewiesen sind.

Wir erleben heute praktisch 2 Arten des Islam: 

  • Den religiösen Islam, der im Koran seine Basis hat.
  • Den politischen Islam, den wir radikal erleben, den aber auch die religiösen Muslime ablehnen. 

Das trifft sich mit den Ausführungen von Papst Franziskus in seinem Apostolischen Schreiben „Evangelii Gaudium“, in dem er zur Gerechtigkeit gegenüber den Muslimen auffordert und den Islamhass anprangert. 


Anhand der Bilder im Vorraum zur Moschee wurde uns die große Bedeutung des Wallfahrtsortes Mekka für die Muslime vor Augen geführt. Im Mittelpunkt des Platzes vor der Moschee steht die Kaaba. Sie wird von den Pilgern 7x betend, im Gedächtnis an die Irrwanderung von Hagar mit ihrem Sohn Ismael durch die Wüste, umrundet. Hagar ist nach muslim. Verständnis die Frau Abrahams. Auf dem Platz vor der Moschee befinden sich auch zwei Hügel, zwischen denen die Pilger meditierend hin und herziehen. Hier hat Hagar auf Gott vertrauend um Wasser für ihren Sohn Ismael gebetet und gesucht. Plötzlich entsprang eine Quelle, die bis heute fließt und dementsprechend Gegenstand der Verehrung der Mekka-Pilger ist.


Am 28. Oktober 1965 verabschiedete das II. Vatikanische Konzil das Dokument „Nostra Aetate“, das das Verhältnis der Kirche zu den nicht-christlichen Religionen regelt. Hier heißt es: „Mit besonderer Hochachtung betrachtet die Kirche auch die Muslime, die den alleinigen Gott anbeten, den lebendigen und in sich seienden, barmherzigen und allmächtigen, den Schöpfer des Himmels und der Erde. Sie bemühen sich auch, sich seinen verborgenen Ratschlüssen mit der ganzen Seele zu unterwerfen, so wie Abraham sich Gott unterworfen hat. Das II. Vatikanische Konzil mahnt schließlich, manche Zwistigkeiten und Feindschaften, die es zwischen Christen und Muslimen gegeben hat, beiseite zu lassen und das gegenseitige Verstehen zu fördern und gemeinsam einzutreten für Schutz und für Frieden und Freiheit aller Menschen, Förderung der sozialen Gerechtigkeit, der sittlichen Güter und nicht zuletzt für Frieden und Freiheit aller Menschen."


In der Moschee folgten der baulichen Erklärung interessante Informationen über das Gebetsleben der Muslime, den liturgischen Ablauf des Freitagsgebetes und die verschiedenen Regeln, die das Zusammenleben der Menschen ordnen.

Interessant war auch das Gespräch über die Scharia. Sie gilt als Ordnung Gottes und darf daher prinzipiell nicht durch menschliche Gesetze ersetzt werden. Die Scharia ist die Gesamtheit des islamischen Gesetzes, wie es im Koran, in der islamischen Überlieferung und in den Auslegungen maßgeblicher Theologen und Juristen vor allem der frühislamischen Zeit niedergelegt wurde.


Es regelt sowohl die kultischen und rituellen Vorschriften‚ gottesdienstliche Handlungen des Menschen als auch seine Beziehungen zu seinen Mitmenschen. Das Gesetz achtet darauf, dass die religiösen Verpflichtungen des Einzelnen gegenüber Gott erfüllt werden und alle Beziehungen des Einzelnen zu seinen Mitmenschen – Vermögensrecht, Familien- und Erbrecht, Strafrecht usw. – stets diesem Gesetz entsprechen. 

Da diese Vorschriften bereits sehr alt sind, werden sie von maßgeblichen Theologen durch analoge Interpretation den heutigen Erfordernissen angepasst, z. B.: Rauchverbot im Islam: Wenn man Knoblauch gegessen hat, darf man am Freitagsgebet nicht teilnehmen. Der Geruch des Knoblauchs belästigt die Menschen in der Umgebung. Wenn man raucht, werden die Menschen in der Umgebung durch den Geruch des Rauchers unangenehm berührt – daher ist rauchen verboten. Um Glaubensfragen im engeren Sinne kümmert sich die Scharia nicht. Der Mensch hat das islamische Recht mit seinen Bestimmungen und Widersprüchen kritiklos zu akzeptieren. Das Forschen nach der Bedeutung und inneren Logik der göttlichen Gesetze ist nur zulässig, so weit Gott selbst den Weg dazu weist. Somit ist die religiöse Wertung aller Lebensverhältnisse die Grundtendenz der Scharia. 


Diese interessante Begegnung fand in einem vom Imam zusammen mit dem Vize-Imam rezitierten Gebet aus der islamischen Freitagsliturgie für das gegenseitige Verständnis und den Weltfrieden seinen Abschluss. Unsere Gruppe betete im Anschluss daran in Stille für die gleichen Anliegen.


Die Offenheit aber auch kompetente, freundliche und verständnisvoll Art der Diskussion hat uns überrascht und beeindruckt. Als Dankeschön für den freundlichen Empfang überreichte unsere Gruppe den beiden Herren eine Festschrift unserer Kirche, eine Spende der Gruppe für caritative Zwecke und eine Kerze.


Damit aber war dieser interessante Vormittag noch nicht zu Ende. 

Wir nützten das warme Frühlingswetter zu einem gemeinsamen Mittagsimbiss im Garten einer kleinen Gaststätte an der Neuen Donau.

Hier wurde noch vieles auch mit Dr. Marte diskutiert und besprochen. 

Abschließend verlas Pfarrer Abrahamowicz, der bereits als Jugendlicher in der Moschee gewesen ist, noch Teile aus einer Ansprache, die Kardinal König am 20. November 1979 bei den  Festlichkeiten anlässlich des Beginns des 15 Jhdt. nach dem islamischen Kalender gehalten hat. Die Rede Kardinal Königs schloss mit dem Hinweis, dass auf dem Weltkongress des Islam in Mauretanien im August 1975 festgestellt wurde: „ Eine echte Partnerschaft zwischen Christentum und Islam, den beiden größten Weltreligionen, ist natürlich und gottgewollt. Daher ist eine enge Zusammenarbeit zwischen Christen und Muslimen im Interesse des Weltfriedens und einer gesicherten Zukunft der Menschen dringend geboten. Wir begrüßen jeden Schritt, der geeignet ist, das Gewebe der Missverständnisse, das Christen und Muslime trennt, zu zerreißen. Angesichts des atheistischen Kampfes gegen jede Religion sollte der Glaube an einen Gott bei den Juden, Christen und Muslimen zum Friedensstifter werden in einer Welt, die hilflos geworden ist. 


Mit diesen beeindruckenden Worten Kardinal Königs endete unser gemeinsamer Vormittag.