Am 24. Dezember um 16 Uhr durften wieder zahlreiche Kinder Baumgartens den Altarraum unserer Pfarrkirche zu ihrer Bühne machen. Engel, Schafe, Hirten und die heilige Familie entführten mit ihrem Krippenspiel etwa 2000 Jahre in die Vergangenheit, um die Geschichte der Geburt Jesu in liebenswert gestalteter Art und Weise in St. Anna wieder aufleben zu lassen.
Schon eine halbe Stunde vor Beginn sind die besten Plätze ausgebucht, um Punkt 16 Uhr kann man (überspitzt formuliert) unter dem Menschenteppich keine Bänke mehr erkennen. Dafür glänzt der Altarraum umso auffälliger im weihnachtlichen Ambiente 11 geschmückter Tannenbäume und des auf Teppichen aufgebauten Betlehems. Die Kinder nehmen ihre Aufgabe sehr ernst: Schafe tummeln sich mit den Hirten um ein Lagerfeuer, die Engel proben ihren gemeinsamen Flügelschlag vor dem Tabernakel und die Hauptakteure gehen noch einmal ihre Texte durch. Wie jedes Jahr dürfen auch heuer vor allem die neuen Erstkommunionskinder sich im Krippenspiel versuchen.
Die stolzen Eltern können beruhigt sein und die Show entspannt genießen, denn es wird von allen Seiten gefilmt und geknipst. Kaplan Marniak greift diesmal sogar höchstpersönlich zum Fotoapparat, während Pfarrer Abrahamowicz uns alle mit seiner sanften Erzählerstimme durch das Weihnachtsgeschehen führt. Er macht uns darauf aufmerksam, dass die heilige Anna, nach der unsere Kirche benannt ist, Marias Mama war, die ihr beigebracht hat, Gott zu lieben und wirklich zu glauben.
Plötzlich flattert ein kleiner Engel durch die Kirche. Gabriel überbringt Maria die Botschaft, dass sie den Sohn Gottes gebären wird. Die junge Maria ist überrascht, ja sogar erschrocken. Warum sie? Warum wählt Gott einen so schlichten, unbedeutenden Menschen? Doch Maria weiß, dass sie Gottes Plan nicht in Frage stellen muss, sie vertraut auf Gott und nimmt dieses Geschenk mit den Worten „dein Wille geschehe“ an. „Siehe, ich bin die Magd des Herrn!“, sagt sie zu Gabriel.
Marias Cousine Elisabeth ist zu dieser Zeit ebenfalls schwanger. Um Elisabeth behilflich zu sein, beschließt Maria, 3 Monate lang zu ihrer Cousine ins Bergland von Judäa zu ziehen. Baby Johannes scheint sich in Elisabeths Bauch ganz besonders über diesen Besuch zu freuen. Beide Frauen spüren die besondere Verbindung zwischen ihnen und ihren Babys und dass Gottes Hand hier im Spiel ist.
Währenddessen ist Josef, der Verlobte Marias, ganz zermürbt. Wenn man erfährt, dass das Kind nicht von ihm ist, würde man Maria steinigen! Soll er davonlaufen, damit die Menschen ihm die Schuld zuschieben und Maria gerettet ist? Gott schickt auch Josef seinen Engel Gabriel mit den Worten „Fürchte dich nicht!“ Josef wird bestärkt, dass Gott einen Plan hat, und beschließt, Maria zu unterstützen. Trotz seiner anfänglichen Skepsis vertraut er auf Gott!
Währenddessen fordert Kaiser Augustus, dass alle Menschen sich in Steuerlisten eintragen, damit er einen besseren Überblick über ihre Zahlungen hat! Alle sollen in ihre Geburtstadt zurück, so auch Josef und die inzwischen hochschwangere Maria. Nach einer mühevollen Reise können die beiden in Betlehem kein Quartier finden. „Wir haben kein Zimmer frei“, „es ist alles besetzt“, hören die beiden schon zum zweiten Mal, bevor ihnen die Türe vor der Nase zugeknallt wird. Wie herzlos … vielleicht hätten die Wirte anders gehandelt, wenn sie gewusst hätten, dass in dieser Nacht der Sohn Gottes in ihrem Hotel geboren wird?
Vielleicht schütteln wir entrüstet den Kopf, so etwas kann uns nie passieren! Aber kommt es nicht auch bei uns manchmal vor, dass wir Gottes Wort im Evangelium hören und sagen: „nein, das ist nix für mich“? Schlagen wir da nicht auch eine Tür zu? Der dritte Wirt, bei dem Maria und Josef anklopfen, hat zwar auch kein Zimmer frei, aber er lässt einen kleinen Spalt in der Türe offen. Er bietet den beiden seinen Stall an, Ochs und Esel sollen zur Seite rücken. Dieser Mann war anfangs ebenfalls stur und äußerst skeptisch, doch er hatte sich erbarmt, er hat ein Herz! Der kleine Jesus darf in seinem Stall zur Welt kommen.
Hoch oben in den Bergen oberhalb der Krippe befinden sich Schafe und Hirten, der Abschaum der Gesellschaft, den niemand bei sich haben will. Sie sind aus Schutz vor der Kälte und vor Raubtieren um ein Lagerfeuer versammelt. Keiner will mit ihnen sprechen, sie dürfen nicht einmal in die Synagoge. Kennen wir auch Menschen, die auf der Straße leben und mit denen keiner sprechen möchte? Gott kam jedoch genau zu diesen Hirten! Er schickte ihnen seine Engelschar. Der Himmel erleuchtete, die Hirten wussten nicht, wie ihnen geschah. Ist diese Botschaft wirklich wahr? Ist wirklich der Sohn Gottes in diesem Stall geboren? Oder ist das Ganze nur Einbildung? Ein als Hirte verkleidetes Kind formuliert ganz treffend: „vielleicht sind wir ja übergeschnappt!?“. Doch die Hirten gehorchen ihren Herzen und treten mitsamt ihren Schafen die Reise zum Jesusbaby an.
Josef und Maria sind ganz verwundert, wieso strömen plötzlich von allen Seiten Hirten und Schafe herbei? Als die Hirten von den Engeln berichten, denkt Maria an den Engel Gabriel, der auch zu ihr gekommen war. Auch uns überbringt Gott seine Botschaft. Sonntag für Sonntag, wenn das Evangelium in der Kirche gelesen wird, spricht der Engel auch zu uns. Wir dürfen uns Gedanken machen, vielleicht sogar ein bisschen skeptisch sein, aber lassen wir doch für seine Botschaft zumindest einen kleinen Spalt der Türe unserer Herzen offen! Wir sind nun alle eingeladen, Ochs und Esel zu sein, laut hörbar bestätigen die meisten Erwachsenen und Kinder dies mit „Määäh“s und „Muuuh“s. Alle Kinder strömen zur Krippe, in der unser lebendiges Baby schläft. Wir wollen uns anbetend niederknien, erklärt Pfarrer Abrahamowicz. Wir dürfen niemanden anderen anbeten, nur Jesus und Gott.
Es hatte sich erfüllt, was im alten Testament stand, dies hatten auch die drei Weisen aus dem Morgenland mitbekommen. Die Konjunktion zweier großer Planeten würde in jener Nacht als ein großer Stern über Betlehem sichtbar sein. Die drei Sterndeuter traten weise vorausahnend eine lange Reise aus dem heutigen Iran nach Betlehem an, um diesem besonderen Kind ihre Geschenke zu bringen. Gold, als Zeichen dafür, dass dieses Kind König ist. Weihrauch, als Zeichen dafür, dass dieses Kind Gott ist. Und Myrrhe, eine Totensalbe … kann es sein, dass sie wussten, dass dieses Kind für uns sein Leben geben wird?
Es ist kein Zufall, dass Jesus in einer Krippe liegt. Die Krippe schaut aus wie ein Sarg und ist zugleich eine Futterstelle. Ist Jesus nicht das Futter für uns alle? Ist die Bibel nicht unser Brot? Pfarrer Abrahamowicz betet mit uns: „Jesus, komm in die Krippe unseres Herzens“. Einen ganz besonderen Wunsch hat auch der Papst zu Weihnachten geäußert: Nämlich, dass wir es erleben, dass kein Kind mehr wegen Hunger sterben muss! Vielleicht schaffen wir es eines Tages, die Türen unserer Herzen so weit offen zu lassen, dass wir unser Hab und Gut auch mit denen teilen, die um unsere Hilfe bitten. Zum Vaterunser werden die Kinder nicht wie üblich dazu aufgefordert, sich im Kreis aufzustellen. Pfarrer Abrahamowiczs Worte beschreiben die kuschelige Situation in der Kirche ganz genau: „Diesmal bleiben wir auf unseren Plätzen und machen nur ganz kleine Bewegungen, damit wir niemandem weh tun.“
Freude ist ansteckend! Liebe ist ansteckend! Wir werden alle aufgefordert, uns ein kleines Kreuzzeichen auf die Stirn zu machen, denn wir wollen uns auch nach Weihnachten daran erinnern, dass Jesus in unsere Herzen kommt und dass wir diese Freude weiterschenken dürfen. Mit dem, was wir an Weihnachten bekommen, sind wir „seelische Millionäre“, wie Pfarrer Abrahamowicz es bezeichnet. Diesen Reichtum dürfen wir ruhig weitergeben.
Mit den Worten des heiligen Vaters schickt der Herr Pfarrer uns nun nach Hause, zur familiären Feier: „Alle mögen die Beziehung mit Jesus neu machen. Wenn jemand nicht glauben kann, soll er zumindest bereit sein, sich von Jesus finden zu lassen!“ Denn Jesus kam so klein und zart zu uns auf die Welt, dass er auch durch einen schmalen Spalt in der Tür (unserer Herzen?) zu uns findet!