Mit dem Karfreitag ist der Tiefpunkt erreicht. Jesus ist tot, alles scheint hoffnungslos verloren.
Teil der Karfreitagsliturgie an diesem Tag der Trauer waren auch heuer wieder die Kreuzverehrung und die zehn
großen Fürbitten.
von Rafael Riedler
Die Priester legen sich stumm auf den Boden vor dem Volksaltar und verbergen ihr Gesicht. Die Orgel schweigt. Keine Instrumente sind zu hören. Der Altar ist seltsam kahl und leer. Nicht einmal das Ewige Licht ist an diesem Tag zu sehen. Stattdessen zuckt man schockiert zusammen, als die lauten Hammerschläge der Kreuzigung durch die Kirche hallen. Das Geräusch der Ratschen, als Jesus am Kreuz stirbt, ist markerschütternd. Und davor, als um die 6. Stunde, wie es in der Passionslesung heißt, die aufgebrachte Meute Pilatus zuruft "Kreuzige ihn!", überkommt einen als Gottesdienstbesucher eine richtige Gänsehaut. Haben nicht dieselben Leute noch vor wenigen Tagen Jesus "Hosanna" zugerufen? Angst, Hass, Enttäuschung haben die Stimmung kippen lassen, ein Sündenbock wird gesucht. Ist es nicht heute oft ähnlich wie damals vor 2000 Jahren, wenn Hetze, Verrat und Lügen zur totalen Eskalation führen?
Jesus wehrt sich nicht, er nimmt die ganze Schuld auf sich und stirbt den Tod am Kreuz. Karfreitag. Alles ist aus. "Kara", althochdeutsch für Trauer, drückt aus, was Millionen Christen an diesem Tag empfinden. "Wer jemanden sehr geliebt hat, trauert auch sehr um ihn", sagt Kaplan Rafal Bochen in seiner Predigt. Doch als Christen wissen wir auch, dass der Karfreitag nicht das Ende ist, dass der Tod am Kreuz nicht umsonst war. Die Liturgie endet daher auch gar nicht, sie bleibt mit einem Cliffhanger offen, der Schlusssegen fehlt. In der Nacht auf Sonntag wird sich zeigen, was die Liebe Gottes zu uns Menschen möglich macht. Und doch, er braucht auch uns, wie unser Kaplan vor Beginn der Karfreitagsgrabwache erklärt: "Jesus hat keine anderen Hände, keine anderen Füße, keine anderen Lippen als unsere." Folgen wir ihm nach, in Worten und Taten.