Einfach nur ein Berg?


Mit freundlicher Genehmigung unserer Bundesregierung und der Bischofs-konferenz durften wir auch den zweiten Tag des Triduums, die Karfreitagsliturgie, zwar unter strengen Auflagen, aber in physischer Präsenz in unseren Kirchen feiern.

 

von Manfred Kainrath
Fotos: Christina Völk, Tanja + Manfred Kainrath



Es ist ein Berg, ein gewöhnlicher Berg, eigentlich ist es gar kein Berg, sondern nur ein Hügel, ohne überlieferte Besonderheiten. Der Wiener Leopoldsberg mit seinem steilen Nasenweg ist wesentlich imposanter und doch erlangte diese auf 738 Meter Seehöhe gelegene Erhebung einen Bekanntheitsgrad, den viele 8000er nicht haben. Auf diesem Berg wurde erstmals ein Gipfelkreuz errichtet, ein Gipfelkreuz, das der gesamten Christenheit zur Siegesfahne wurde, zum Zeichen des Sieges über den Tod, der Erlösung der Menschheit von seiner Erbschuld: Golgatha, zu deutsch Schädelhöhe, Hauptdarsteller am zweiten Tag des Triduums, der Ort, an dem sich die Bestimmung Jesu Christi erfüllen sollte. Der Geschehnisse des Karfreitags, die an dieser Anhöhe ihr Ende fanden, gedachten wir in unseren beiden Kirchen. 

 

In den Texten der Heiligen Schrift wurde bereits darauf hingedeutet, dass die Leidensgeschichte letztendlich gut ausgehen wird: Bei Jessaia war zu hören: „Siehe, mein Knecht wird Erfolg haben“, auch wenn die Leidensgeschichte nach Johannes noch damit endet, dass Jesu Leichnam in ein noch unbenutztes Grab gelegt wird.

 

In seiner Predigt stellte unser Pfarrer Pawel Marniak die Frage, warum nehmen Menschen ihr Kreuz auf sich? Manche aus Angst vor einer Strafe, viele aber auch, um sich damit zu rühmen, oder sich bemitleiden zu lassen. Gott sei Dank ist da aber auch noch die Schar derer, die ihr Kreuz in aller Stille tragen, immer mit dem Vorbild Jesu vor Augen, denn er hat uns versprochen, uns noch heute ins Himmelreich zu holen.

 

In den großen Fürbitten wurde um die Fürsprache für die Kirche, die geeinigte Kirche, deren Stellvertreter auf Erden, unsere jüdischen Mitbrüder und -schwestern, die Regierenden, Kranken und Pflegenden, alle Hilfsbedürftigen und unsere Verstorbenen ersucht.

 

Auch in der Kreuzerhöhung und -verehrung hinterließen die Vorgaben zur Eindämmung der Pandemie ihre Spuren: kein Gesang und kein Berühren oder gar Küssen des Kreuzes.

Das tat der Feierlichkeit jedoch keinen Abbruch und die Gläubigen wurden mit einem Segensgebet entlassen. 

 

Wir wissen nun, dass neben „distance learning“ auch „distance singing“ – der für gewöhnlich stark besetzte Chor wurde durch wenige weit auseinanderplatzierte Mitglieder vertreten, was der Qualität des Dargebotenen keineswegs schadete – und „distance worshipping“ – die kontaktlose Kreuzverehrung – machbar und sinnvoll sein kann.   

 

So sind wir in freudiger Erwartung auf die Osternacht, weil wir wissen, dass der Karfreitag notwendig, aber nicht der Schlusspunkt ist.